Wie richtig liegen große Beratungshäuser? – Kommentare zur McKinsey Studie „Digitalvertrieb B2B“ nach Corona

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Wie richtig liegen große Beratungshäuser? – Kommentare zur McKinsey Studie "Digitalvertrieb B2B" nach Corona
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Den meisten Zuhörern sind sicher Beratungshäuser, wie das Unternehmen McKinsey, bekannt. Heute möchte ich eine Studie vorstellen, die dieses Unternehmen durchgeführt hat, und die sich mit dem Einfluss von Corona auf das B2B Geschäft in Deutschland beschäftigt.

Nun bin ich persönlich immer etwas skeptisch, was solche Studien von Beratungsunternehmen angeht, weil das Geschäft unserer Kunden, auch in der gleichen Branche, sehr unterschiedlich ist und sich somit nur schwer vergleichen lässt, aber was man durch solche Studien erkennen kann, sind Tendenzen und Trends.

In dieser Studie kommt nämlich u.a. heraus, dass mittlerweile nur noch 20 bis 30 % der B2B Einkäufer überhaupt noch an einem persönlichen Besuch eines Vertriebsmitarbeiters interessiert sind.
Rund 90 % der Entscheider erwarten sogar, dass sich Remote und digitale Vertriebsmodelle langfristig etablieren werden, da sie mindestens genauso effektiv sind, wie die analogen Modelle in der Zeit vor Corona. Das hat nach meiner Interpretation viel mit Videokonferenzen zu tun, die sich durch Corona endgültig durchgesetzt haben. In unseren Projekten finden kaum noch Vororttermine statt und selbst die umfangreichsten Projekte werden online geplant und gemanaged.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, wenn man sich das Thema Service Portale anschaut. Denn auch hiermit hat sich die Studie beschäftigt und hat festgestellt, das mittlerweile 75 % bis 80 % der Kunden ein solches digitales Self Service Portal bevorzugen. Damit kann man schon davon ausgehen, dass wir hier ein hohes Maß an Akzeptanz von digitalen Lösungen im Markt haben. Das entspricht auch unserer Erfahrung in unseren Projekten. Viele Kunden haben mittlerweile festgestellt, das sie durch Self Service Portale enorme Prozesskosten sparen können und so wird versucht immer mehr Kunden-/Vertriebsprozesse zu digitalisieren und im Portal zur Verfügung zu stellen.

Etwas weniger, aber immerhin 70 %, sehen auch bei der Recherche nach neuen Lieferanten digitale Lösungen vorne. Das kann ich aus unseren Projekten nur bedingt bestätigen, da sich die meisten unserer Kunden mit dem Thema Neukundengewinnung auf digitalem Weg noch schwer tun. Das hat auch vielfach mit Daten (Meine Produktdaten müssen digital werden – Wie gehe ich am besten vor?) zu tun. Die nicht vorliegen oder noch nicht hinreichend in ausreichender Qualität zur Verfügung stehen.

Es überrascht aber schon, wenn man nach der Bestand- und Neukundenansprache fragt. Denn hier sagen 67 % der Unternehmen, dass sie digital bei Bestandskunden genauso effektiv sind, wie vor Corona, und 69 %, also noch mehr, sehen die eigenen digitalen Plattformen als geeignet an, um Neukunden anzusprechen. Auch das deckt sich nicht mit unseren Erfahrungen. Die meisten Kunden konzentrieren sich immer noch auf Bestandskunden und verschieben die Neukundenansprache auf spätere Projektstufen.

Voll akzeptiert sind digitale Plattformen aber bei der Beschaffung. Laut Studie sagen mittlerweile 60 %, dass sie immerhin mehr als 50.000 € pro Bestellung platzieren. Das setzt natürlich schon ein erhebliches Vertrauen in diesen Vertriebsweg voraus, entspricht aber auch unserer Erfahrung. Gerade wenn Unternehmen mehr als 30 % Onlineumsatzanteil haben, sind auch sehr hohe Warenkorbsummen keine Ausnahme mehr.

Auch interessant finde ich dass, laut Studie, mittlerweile 95 % aller Einkäufer den digitalen Bestellweg nutzen. Auch hier muss ich mit Blick auf unsere Kunden relativieren. Bei denen die einen hohen Onlineumsatzanteil von über 70 % haben, ist das definitiv der Fall. Aber gerade im Maschinenbau sprechen wir über einen eher einstelligen Umsatzanteil. Diese hohen Zahlen kann ich somit zumindest für diese Branche nicht nachvollziehen.

Merkwürdig ist ebenfalls, wenn die Studien sich mit den eCommerce Umsätzen beschäftigt. Denn die Studie sagt aus, dass im Mittelstand die Umsätze um 7 % gesunken sein sollen. Das kann ich für unsere Kunden überhaupt nicht bestätigen. Bei denen nimmt der Onlineumsatz kontinuierlich zu.

Interessant sind aber die Aussagen der Studie zum Vertriebspersonal. Laut Studie haben immerhin 35 % der Unternehmen, und das empfinde ich als bemerkenswert viel, schon Personal abgebaut und sogar 28 % ganze Standorte geschlossen. Wenn man berücksichtigt, dass die Vorortbesuche immer weniger werden, ist zumindest das Schließen von regionalen Standorten nachvollziehbar. Aber das pauschale Entlassen von Vertriebsmitarbeitern beobachten wir in diesem Umfang nicht. Was stattfindet ist, dass die Leistungen von einzelnen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in Vergleich zum Onlineumsatz bewertet werden und das führt durchaus zu Personalveränderungen.

Immerhin gehen aber, laut Studie, 86 % der Unternehmen davon aus, dass der digitale Vertrieb bleiben wird und 83 % schätzen sich selbst so ein, dass sie bereits heute digital verkaufen können. Bei der letzteren Zahl muss ich aber deutlich widersprechen. Es mag sein, dass sich mittlerweile halbautomatisierte bzw. halbdigitale Vertriebsaktivitäten etabliert haben und diese den Unternehmen suggerieren das sie ja schon digital verkaufen, aber das hat nichts mit dem zu tun, was wir unter digitalen Vertrieb verstehen.
Ich glaube, wenn diese Zahlen wirklich stimmen, dann überschätzen sich viele Unternehmen deutlich.

Realistischer wird es dann schon, wenn die Studie nach weiterem Potential im digitalen Vertrieb fragt. Hier gehen nämlich 75 % der Unternehmen davon aus, dass sie im digitalen Vertrieb noch viel Potenzial haben. Das entspricht auch tatsächlich unserer Erfahrung, denn die meisten fangen klein an und konzentrieren sich auf die naheliegenden Dinge, um Erfahrung zu sammeln und das würde ich auch immer empfehlen.

Zusammen gefasst kann ich einige der Aussagen der Studie von McKenzie überhaupt nicht nachvollziehen und die dort geschilderten Erkenntnisse stimmen auch nicht mit unseren Erfahrungen aus dem B2B Mittelstand überein. Aber, da die Kollegen an für sich eine guten Job gemacht haben und alle Zahlen akribisch ermittelt sind, kommt die Studie letztlich zu dem Schluss, dass sich digitale Vertriebs- und Kundenserviceprozesse kurz- und mittelfristig durchsetzen werden und das entspricht zu 100% auch dem, was ich glaube.

 

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